Wahrscheinlich gefällt mir das Buch so gut, weil ich eins nie glauben wollte: Dass wir Menschen im Grunde böse sind.
„Im Grunde gut“ lautet denn auch der Titel des Sachbuchs des Geschichtswissenschaftlers Rutger Bregman, das mich jetzt mit historischen Belegen und philosophischen Einblicken in meinem Menschenbild bestärkt hat. Einem Menschenbild, das davon ausgeht, dass die meisten Menschen im Grunde gut sind, dass sie füreinander da sind, einander in schwierigen Situationen die Hand reichen und dass sie sich nicht verletzen oder gar töten wollen.
Nur: Sehen wir nicht täglich in den Nachrichten das genaue Gegenteil?
Doch, sagt Rutger Bregman. Und macht uns gleichzeitig darauf aufmerksam, dass wir beim Konsumieren von Nachrichten zwei schwerwiegenden Denkfehlern unterliegen:
Erstens: Dem negativity bias. Wir sind sensibler für das Böse als für das Gute, sprich, wir nehmen es stärker wahr – ein Relikt aus Hunderttausenden von Jahren als Jäger und Sammler. Zweitens: Dem availability bias. Wenn wir ein Beispiel für etwas nennen können, glauben wir, dass dieses Beispiel öfter auftritt als dies tatsächlich der Fall ist. Klassischer Anwendungsfall: Der Flugzeugabsturz.
So, wie er uns auf diese Denkfehler stößt, stößt uns Rutger Bregman auf viele weitere Missverständnisse, Fehlinterpretationen und überholte historische Erkenntnisse. Mit einem umfangreichen Quellennachweis lässt er uns daran teilhaben, wie er zu seiner Einschätzung, die meisten Menschen seien im Grunde gut, gelangt ist. Er spart weder Auschwitz noch Terrorismus aus, geht auf das Stanford Prison Experiment ebenso ein wie auf William Goldings „Herr der Fliegen“. Und dennoch gelangt er zu diesem Schluss: „Wer an das Gute im Menschen glaubt, ist kein Weichei oder ein Naivling. Wer an Frieden und Vergebung glaubt, ist im Gegenteil mutig und realistisch.“
Das wirklich Spannende an diesem Buch für mich als Coach ist diese Frage: Was würde es für jeden Einzelnen von uns bedeuten, wenn wir annehmen, er hätte recht? Was wäre möglich, wenn wir einander mehr Vertrauen schenkten? Wenn wir mehr kooperierten? Wenn wir mutiger in die Zukunft blickten, in dem Wissen, wir können auf uns und aufeinander zählen? Und: Was wäre dann als Gesellschaft möglich?
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