The Great Resignation: Was tun bei Unzufriedenheit im Job?

Frühjahr 2021: Meine Klientin – eine junge, hoch qualifizierte Führungskraft – war unglücklich in ihrem Job. Von außen betrachtet sah er wie ein Traumjob aus. Aber nach einem Winter im Home Office, ohne den engen Kontakt zu ihrem Team, blickte sie mit Abstand auf ihre Tätigkeit – und stand kurz davor zu kündigen. Und sie war nicht allein. Die Klient:innen, die diese Frage umtrieb, wurden mehr und mehr. Und das Phänomen bekam einen Namen: The Great Resignation.

Darum geht’s in diesem Artikel:

  • Was ist „The Great Resignation“?
  • The Great Resignation: 3 Fehler, die Sie vermeiden sollten
  • The Great Resignation: Wie Sie herausfinden, wo der Schuh eigentlich drückt
  • The Great Resignation: 3 Fragen, die (fast) immer weiterhelfen

 

Was ist „The Great Resignation”?

Der Begriff stammt aus den USA, wo im Frühjahr 2021 eine enorme Kündigungswelle einsetzte. Allein im Juli 2021 kündigten laut dem Harvard Business Manager ▼ vier Millionen Beschäftigte ihren Job. Ende Juli gab es in den USA 10,9 Millionen offene Stellen. Rekord.

Gründe für das Phänomen der Great Resignation

Die Kündigungswelle wird im Zusammenhang mit der Pandemie gesehen. Für die USA werden als Gründe oft aufgeführt: Die generell schlechteren Arbeitsbedingungen – und das Gefühl der Arbeitnehmer, von Arbeitgebern und Staat im Stich gelassen worden zu sein.

Das Phänomen ist aber längst nicht mehr nur auf die USA beschränkt. Laut einer Umfrage von Microsoft unter 30.000 Beschäftigten weltweit denkt rund jeder dritte Beschäftigte über einen Wechsel nach. Und auch in Deutschland ist die Wechselbereitschaft gestiegen: Wie das Handelsblatt (€) ▼ berichtet überlegte mehr als ein Drittel der Deutschen in diesem Jahr, den Job hinzuschmeißen. So viele wie noch nie.

Auch gut ausgebildete Menschen sind unzufrieden

Auch sehr gut ausgebildete Menschen stellen ihren Job infrage. Zwei Gründe könnten hier eine große Rolle spielen:

Sie haben in der Pandemie oft komplett im Home Office gearbeitet. Der Kontakt mit den Kollegen hat sich auf Video-Konferenzen beschränkt. Der Zusammenhalt hat nachgelassen. Die Bindung zum Arbeitgeber auch. Viele Menschen reflektieren ihren Job und blicken auf ihn wie durch ein Brennglas: Was nicht (mehr) passt, wird sichtbarer.

Gut ausbildete Menschen, egal, ob Ärzt:in, Ingenieur:in oder ITler:in, müssen in Deutschland keine Angst vor Arbeitslosigkeit haben. Der Fachkräftemangel spiegelt sich in einem stark ausgeprägten Bewerbermarkt wider. Diese Tendenz wird sich angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland noch verstärken.

The Great Resignation: 3 Fehler, die Sie vermeiden sollten

Soweit die Fakten. Aber was können Sie tun, wenn Sie sich angesprochen fühlen? Wenn Sie unzufrieden sind im Job? Wenn auch Sie das Gefühl haben: So wie es ist, soll es nicht bleiben?

Dann gilt es zunächst, drei häufige Fehler vermeiden:

Fehler #1: Nichts tun

Der größte Fehler: Nichts tun und das Gefühl ignorieren. Das heißt nicht, dass Sie sofort in hektische Betriebsamkeit verfallen, Stellenanzeigen durchforsten oder Business Pläne schreiben müssen.

Es geht erst einmal nur darum, das, was Sie da wahrnehmen, ernst zu nehmen. Fragen Sie sich, seit wann Sie dieses Gefühl haben. Wann ging es los?

Um auszuschließen, dass es wirklich allein dem Lockdown oder dem Home Office geschuldet ist: Wie war es im Sommer, als Sie wieder unter Kolleg:innen im Büro waren? Wie war es vor der Pandemie? Hatten Sie das Gefühl schon einmal? Was hat damals geholfen? Wäre das auch jetzt eine Strategie?

Wenn das Gefühl länger andauert, bewährte Methoden Sie nicht weiterbringen oder Sie innerlich wissen, dass die Pandemie nur etwas sichtbar gemacht hat, was längst da war – dann ist es vielleicht wirklich an der Zeit, das Thema aktiv anzupacken. Nothing changes if nothing changes.

Fehler #2: Sich nicht beschweren wollen

„Eigentlich ist alles gut…“ Diesen Satz höre ich so oder so ähnlich ganz oft. Weil wir gut ausgebildet sind, einen sicheren Job haben, keine materielle Not leiden, vielleicht sogar in echtem Wohlstand leben, haben wir das Gefühl, uns nicht beschweren zu dürfen. Dürfen wir aber. Wir dürfen auch andere Gradmesser unseres Wohlbefindens heranziehen als diese äußeren Faktoren.

Wenn wir uns nur noch getrieben fühlen, wenn wir überlastet sind, wenn wir neue Perspektiven brauchen, um wieder Freude am (Arbeits-) Leben zu haben, oder wir uns einfach mehr Sinnhaftigkeit wünschen – dann dürfen wir uns beschweren. Wir dürfen nach etwas anderem Ausschau halten. Es ist unser Leben. Und wir haben (vermutlich!) nur eins.

Und nein, es geht dabei nicht um egozentrische Selbstverwirklichung. Sondern darum, Verantwortung für uns und die Menschen zu übernehmen, die uns wichtig sind. Wir können für andere viel besser da sein, wenn wir nicht ständig gestresst, unglücklich oder frustriert sind. Wenn es uns gut geht, wir wieder fröhlicher und zuversichtlich in die Zukunft schauen, wirkt sich das auch auf unser Umfeld aus. What goes around comes around.

Fehler #3: Alles glauben, was Sie denken

Vielleicht kennen Sie diese Gedanken: Beruflich noch mal was anderes machen, wäre schon schön. Aber so einfach ist das nicht. In meiner Position geht das nicht. Das kann ich meiner Firma nicht antun. Ist auch viel zu riskant.

Diese Gedanken sind völlig normal. Unser Gehirn ist darauf programmiert, alles auf Fehler und Gefahren zu scannen. Evolutionstechnisch machte das lange Zeit auch Sinn. Als Menschen, die im 21. Jahrhundert leben, dürfen wir diese Denkweise aber infrage stellen – und als gut ausgebildete Arbeitskräfte, die in einem so sicheren Land wie Deutschland leben, erst recht. Wir müssen nicht alles glauben, was wir denken. Und wir sollten es auch nicht.

Lassen Sie sich von solchen Gedanken deshalb nicht abschrecken. Sie gehören dazu, wenn wir uns mit einer Veränderung beschäftigen. (Mehr zu diesen Gedanken und wie Sie damit umgehen können, können Sie in dem Artikel „Berufliche Neuorientierung: Was hält Sie ab?“ ▼ lesen.)

Veränderung fühlt sich oft komisch und nicht selten bedrohlich an. Das bedeutet aber nicht, dass es der falsche Weg ist. Es ist nur ein neuer Weg. Und neue Wege braucht es, um an neue Ziele zu kommen. Oder?

The Great Resignation: Wie Sie herausfinden, wo der Schuh genau drückt

Wenn sich beruflich etwas ändern soll, kann es hilfreich sein, erst noch einmal einen Blick auf den derzeitigen Job zu werfen. Was läuft da schon ganz gut? Und wo drückt der Schuh genau?

Wenn Sie das nicht ohnehin schon wissen, können Sie folgende zwei kleine Checks machen:

Check #1:

Überprüfen Sie Ihre Zufriedenheit in Bezug auf die verschiedenen Aspekte Ihres Jobs. Wie zufrieden sind Sie mit jedem einzelnen?

Wie sieht es beim Gehalt aus? Wie mit der Kollegialität? Wie zufrieden sind Sie mit den Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen? Wie zufrieden mit der Work-Life-Balance oder dem Grad an Verantwortung? Wie zufrieden sind Sie mit dem Sinn Ihrer Tätigkeit oder den Werten, die Sie im Beruf leben?

Überlegen Sie, welche Bereiche Sie für sich identifizieren können. Und vergeben Sie für jeden einzelnen dieser Bereiche einen Wert auf einer Skala 1 bis 10. Eine 1 bedeutet: „gar nicht zufrieden“, 10 heißt: „sehr zufrieden“. Sind Sie mit dem Gehalt zum Beispiel sehr zufrieden, bekommt dieser Bereich eine 10. Ist die Work-Life-Balance nicht so wie gewünscht, bekommt dieser Bereich vielleicht nur eine 3 oder 4. So sehen Sie sehr schnell, wo es eigentlich gut läuft und aus welcher Ecke die Unzufriedenheit kommt.

Check #2:

Im zweiten Schritt skalieren Sie, wie wichtig Ihnen die einzelnen Bereiche sind. Wenn Ihnen ein hohes Gehalt zum Beispiel nicht (mehr) so wichtig ist, bekommt dieser Bereich vielleicht nur eine 7. Wenn Ihnen eine gute Work-Life-Balance wichtig ist, bekäme dieser Bereich eine 10.

Die Bereiche, in denen Sie wenig Zufriedenheit verspüren, die Ihnen aber wichtig sind, sind vermutlich die, in denen der Schuh drückt – und die umgekehrt ein enormes Potenzial haben. Denn die Hebelwirkung ist hier am größten: In unserem Beispiel würde die Zufriedenheit durch noch mehr Gehalt vermutlich kaum steigen, einfach, weil das Gehalt keine entscheidende Rolle spielt. Eine bessere Work-Life-Balance würde die Lebensqualität indes vermutlich enorm steigern.

The Great Resignation: 3 Fragen, die (fast) immer weiterhelfen

Frage #1: Wo ist Ihr größter Hebel?

Je nachdem, wo der Schuh drückt, braucht es mehr oder weniger Veränderung. Nicht immer ist ein kompletter beruflicher Neustart erforderlich. Manchmal sind es wenige, aber wichtige Stellschrauben, an denen wir drehen können, um wirklich etwas zu verbessern.

Ich erinnere mich noch genau an einen Klienten, der so frustriert war, dass er überlegte, alles hinzuschmeißen und etwas ganz anderes zu machen. Das Ziel für den Coaching-Prozess lautete: Eine berufliche Alternative finden.

Mein Klient führte ein Familienunternehmen. Seine Entscheidung hätte viele Mitarbeiter betroffen. Über die Wochen unserer Zusammenarbeit stellte er fest: Die Arbeit in und an seinem Unternehmen machte ihm eigentlich Spaß. Nur war viele, viele Jahre alles andere zu kurz gekommen: Freunde, Familie, Sport. Daher suchten wir nun nicht mehr nach beruflichen Alternativen. Wir suchten stattdessen nach Wegen, wie er das Unternehmen fortführen UND mehr Zeit für die anderen Bereiche seines Lebens finden könnte. So viel sei verraten: Am Ende des Prozesses hatte er sie gefunden.

Fragen Sie sich also: Was könnten diese Stellschrauben in Ihrem Fall sein? Was können Sie konkret für mehr Zufriedenheit in den Bereichen Ihres Jobs tun, die wichtig für Sie sind? Wo ist Ihr größter Hebel? Und liegt er in Ihrer Hand?

Wenn das im derzeitigen Job nicht der Fall ist, wissen Sie jetzt zumindest, worauf Sie achten sollten, wenn Sie sich nach etwas Neuem umsehen.

Frage #2: Wie sähe Ihr perfekter Tag aus?

Ein Gedankenspiel, das Spaß macht und in der Wirkung nicht zu unterschätzen ist, ist das Folgende:

Überlegen Sie einmal, was Sie tun würden, wenn Geld keine Rolle spielen würde und Sie nicht scheitern könnten: Wie sähe Ihr perfekter Tag dann aus? Malen Sie ihn sich in den buntesten Farben aus. Je mehr Details, desto besser!

Wo würden Sie aufwachen? Wann würden Sie aufstehen? Mit welchen Menschen kämen Sie im Job zusammen? Wie würden Sie arbeiten? Allein oder im Team? Und wo? Im Büro in der Großstadt oder eher mit viel Platz auf dem Land? Oder gar im Ausland? Wie sähe Ihr Büro oder Ihr Arbeitszimmer aus? Was würden Sie konkret tun und welche Ihrer Fähigkeiten würden Sie dabei einsetzen? Welche Werte könnten Sie dann leben – und was für ein Mensch wären Sie? Und wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie dieser Mensch wären?

Vermutlich fällt Ihnen das anfänglich gar nicht so leicht und es kommen Gedanken wie „Das Leben ist kein Wunschkonzert“ oder „Das klappt ja eh nicht“. Wie Sie inzwischen gelesen haben, sind diese Gedanken normal. Sie dürfen Sie auch denken. Nur nicht immer glauben.

Denn, wenn Sie wirklich etwas verändern wollen, ist es sinnvoll, solche Bilder im Kopf entstehen zu lassen – am besten immer wieder und am besten ganz konkret.

Nicht nur, weil Sie so herausfinden, wohin Ihr innerer Kompass eigentlich zeigt.

Solche Visualisierungen helfen auch, die Ziele zu erreichen. Aus der Neurobiologie wissen wir: Das, was wir wiederholt oder intensiv erleben, strukturiert unser Gehirn. Und das Gehirn unterscheidet nicht so streng wie wir, ob wir es wirklich erleben – oder uns nur ganz konkret vorgestellt haben.

Was allerdings hinzukommen muss, ist Begeisterung. Denn wenn wir von etwas wirklich begeistert sind, werden wichtige neuroplastische Botenstoffe ausgeschüttet: Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Die Chancen, dass sich unser Gehirn verändert, sind also viel größer, wenn wir etwas mit echter Begeisterung tun. Und die Chancen, dass wir ins Handeln kommen, damit auch.

Frage #3: Was ist eigentlich alles da?

Eine dritte Frage, die Ihnen vielleicht weiterhilft, ist diese: Was ist alles da? Hier geht es darum, einmal darüber nachzudenken, was Sie eigentlich ausmacht im Job.

Welche Stärken haben Sie? Was können Sie besonders gut? Ihnen fällt nur wenig ein? Dann fragen Sie andere Menschen: Die langjährige Kollegin oder den besten Freund. Wir alle haben Stärken. Wir vergessen Sie nur oft. Sie wissen schon: die Kompetenzdemenz.

Was ist Ihnen wichtig? Was sind Ihre Kern-Werte? Im Beruf – oder generell im Leben? Die drei, vier wichtigsten Werte zu kennen, hilft enorm, wenn es darum geht, knifflige Lebens- oder Berufsentscheidungen zu treffen. Finden Sie Ihre wichtigsten Werte und nutzen Sie sie als Leitplanken.

Was macht Ihnen Freude? Bei was vergessen Sie die Zeit? Unter welchen Bedingungen kommen Sie in den Flow? Auch diese Frage ist ein guter Hinweisgeber dafür, was Sie ausmacht und somit die Basis für Ihre neue berufliche Tätigkeit sein könnte.

Weitere Fragen, die Sie nutzen können, finden Sie sie im Artikel „Berufliche Neuorientierung: Trotz Erfolgs etwas Neues starten?“ ▼. Gehen Sie sie einfach in Ruhe für sich durch, schreiben Sie sich die Antworten auf und schauen Sie, was passiert. Und ganz wichtig: Geben Sie sich Zeit. Berufliche Neuorientierung ist ein Prozess. Die gute Nachricht: Den ersten Schritt haben Sie schon gemacht. Sonst hätten Sie gewiss nicht bis hierher gelesen!

Und wenn auch das nicht weiterhilft?

Und wenn Ihnen all diese Fragen nicht weiterhelfen, weil Sie sich mit Ihren Gedanken immer wieder im Kreis drehen – schreiben Sie mir. Vereinbaren Sie ein Vorgespräch! Wir klären Ihr Thema und alle Ihre Fragen. Ich unterstütze Sie gern auf Ihrem Weg – von „eigentlich gut“ zu „richtig schön“!

Weitere Informationen rund um Life Coaching finden Sie in meinem Blog Gedankengang ▼ und auf meiner Website ▼ .